Leitlinie rheumatoide Arthritis

Leitliniengerechte Therapie der rheumatoiden Arthritis mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten

DGRh-Leitlinie zur Therapie der rheumatoiden Arthritis mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten

Moderne Therapiestrategien mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten haben das Bild der rheumatoiden Arthritis stark verändert. Patienten mit rheumatoider Arthritis profitieren durch eine geringere radiologische Progression und eine verbesserte Funktionalität von einer Behandlung. Moderne Therapien reduzieren zudem die Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit, kardiovaskuläre Morbidität und Gesamtmortalität und sind dabei kosteneffektiv.¹,²

Zu dieser Entwicklung hat auch ein besseres Verständnis der Pathophysiologie der rheumatoiden Arthritis beigetragen, aus dem die Notwendigkeit der frühen und möglichst vollständigen und nachhaltigen Unterdrückung der Entzündung bei der rheumatoiden Arthritis abgeleitet wurde. Neue Klassifikationskriterien erlauben, die Erkrankung früher zu entdecken und das Konzept des Treat-to-Target (T2T) mit dem Ziel einer Remission umzusetzen. Die Remission wird nun, deutlich strenger als früher, als nahezu vollständige Entzündungs- und Beschwerdefreiheit definiert. Die Entwicklung neuer hochwirksamer und zielgerichteter Medikamente hat viel zu dieser Entwicklung beigetragen.¹,²

Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie die evidenz- und konsensbasierte S2e-Leitlinie „Therapie der rheumatoiden Arthritis mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten“ entwickelt. Die Leitlinie gibt Empfehlungen für eine bestmögliche Therapie der rheumatoiden Arthritis in Deutschland nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft.¹,²

An der Entwicklung der Leitlinie waren neben Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) u. a. auch Vertreter anderer Fachgesellschaften beteiligt (u. a. Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.) sowie Ärzte aus rheumatologischen Kliniken und Praxen. Auch Patientenvertreter der Deutschen Rheuma-Liga waren in die Entwicklung der Leitlinie eingebunden.¹,²


In der Leitlinie wurde die partizipative Entscheidungsfindung (engl. Shared Decision Making) zwischen Arzt und Patient in besonderer Weise berücksichtigt. Sechs übergeordnete Prinzipien und 10 Empfehlungen fassen die Ergebnisse des Konsensprozesses zusammen.¹,²

Wo finde ich die Leitlinie?
 

Die S2e-Leitlinie zu Therapie der rheumatoiden Arthritis mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten ist auf der Internetseite der DGRh kostenlos abrufbar. Hier gibt es u. a. eine Lang- und Kurzfassung der Leitlinie sowie eine Patientenfassung der Leitlinie. Die Leitlinie ist ebenfalls auf der Webseite der AWMF unter der Register-Nummer 060 - 004 zu finden.

Neben der S2e-Leitlinie hat die DGRh auch eine neue S3-Leitlinie zur frühen Behandlung der rheumatoiden Arthritis erstellt: Management der frühen rheumatoiden Arthritis

 

Was empfiehlt die S2e-Leitlinie zur Therapie mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten?

Die S2-Leitlinie gibt Empfehlungen für die Therapie der RA nach dem Prinzip des „Treat-to-Target“ mit etablierten und neuen krankheitsmodifizierenden Medikamenten (DMARDs), einschließlich der Biologika und JAK-Inhibitoren.¹,²

    Die Leitlinie empfiehlt sechs übergeordnete Therapieprinzipien, die bei der Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis berücksichtigt werden sollten:¹,²

    1. Die Behandlung der rheumatoiden Arthritis sollte die bestmögliche medizinische Betreuung des Patienten zum Ziel haben und auf gemeinsamen Entscheidungen durch den/die Patienten/-in und den/die Rheumatologen/-in basieren.
    2. Die rheumatoide Arthritis ist eine schwere Erkrankung, die mit hohen direkten und indirekten Kosten verbunden ist. Dies sollte durch den behandelnden Rheumatologen bei seinen Entscheidungen berücksichtigt werden.
    3. Es existieren keine zuverlässigen Biomarker in der alltäglichen Praxis für Therapieentscheidungen. Therapieentscheidungen sollen deshalb aktuell unter anderem anhand von Vortherapie, Krankheitsaktivität, Funktionsstatus, dem Vorliegen von Erosionen, Sicherheitsaspekten, und der Komorbidität sowie der Präferenz des Patienten getroffen werden.
    4. Der zuständige Arzt für das Management des Patienten mit rheumatoider Arthritis, insbesondere für die Aktivitätsbestimmung der rheumatoiden Arthritis und Steuerung der medikamentösen Therapie, ist der internistische Rheumatologe.
    5. Das Ziel der Behandlung ist die Remission (nach dem Prinzip des „Treat-to-Target“). Niedrigere Krankheitsaktivität kann, wenn nicht anders möglich, eine akzeptable Alternative dazu sein.
    6. Glukokortikoide sollten bei jedem Patienten ausgeschlichen werden, sofern dies klinisch vertretbar ist. Eine Deeskalation der Basistherapie kann bei Patienten mit einer „sustained remission“ (anhaltende Remission) ohne Glukokortikoidtherapie erwogen werden. Die Deeskalation sollte auf einer gemeinsamen Entscheidung von Arzt und Patient beruhen.

    Daneben werden in der Leitlinie folgende zehn Empfehlungen zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis mit DMARDs gegeben:¹,²

    1. Sobald die Diagnose einer rheumatoiden Arthritis gestellt ist, soll eine Therapie mit DMARDs begonnen werden.
    2. Das Ziel der Therapie ist das Erreichen und die Erhaltung einer Remission.
    3. Kontrollen der Krankheitsaktivität sollten bei aktiver Erkrankung häufig (alle 1–3 Monate) und mit einem Composite-Score erfolgen. Wenn 3 Monate nach Beginn der Therapie keine Verbesserung zu sehen ist oder wenn nach 6 Monaten das Ziel nicht erreicht wird, sollte die Therapie angepasst werden.
    4. Methotrexat (MTX) soll als erstes konventionelles synthetisches DMARD (csDMARD) eingesetzt werden, ein Vorteil für eine initiale Kombination mehrerer csDMARDs ist nicht sicher belegt. 
    5. Falls MTX nicht einsetzbar ist (z. B. wegen Kontraindikationen), soll die Therapie mit Leflunomid oder mit Sulfasalazin begonnen werden.
    6. Glukokortikoide sollten bei initialer Therapie ergänzend zum csDMARD gegeben werden. Empfehlenswert ist eine Startdosis bis 30 mg Prednisolonäquivalent/Tag mit Reduktion auf eine niedrige Dosis („low-dose“) innerhalb von acht Wochen. Die Glukokortikoid-Therapie soll auf 3–6 Monate beschränkt werden. Eine zusätzliche intraartikuläre Glukokortikoid-Gabe kann sinnvoll sein.
    7. Bei Verfehlen des Therapieziels mit der optimierten Starttherapie soll die Therapie eskaliert werden. Bei Fehlen von ungünstigen Prognosefaktoren und moderater Krankheitsaktivität kann eine Kombination mehrerer csDMARDs eingesetzt werden. Bei hoher Krankheitsaktivität und/oder Vorliegen ungünstiger Prognosefaktoren soll die Kombination eines csDMARD (in der Regel MTX) mit einem biologischen DMARD (bDMARD) oder einem zielgerichteten DMARD (tsDMARD) zum Einsatz kommen.
    8. Nach unzureichendem Ansprechen zweier csDMARD-Therapien soll eine bDMARD- oder tsDMARD-Therapie zum Einsatz kommen.
    9. Jede bDMARD- und tsDMARD-Therapie soll wenn möglich mit MTX kombiniert werden.
    10. Bei nicht ausreichendem Ansprechen (Verfehlen des Therapieziels) oder Unverträglichkeit der ersten bDMARD-Therapie soll der Wechsel auf ein alternatives bDMARD mit gleichem oder anderem Wirkprinzip oder auf ein tsDMARD erfolgen. Ein nochmaliger Wechsel ohne Änderung des Wirkprinzips ist nicht sinnvoll. Wird die Therapie nach csDMARDs mit einem tsDMARD anstatt einem bDMARD begonnen, so sollte bei Nichtansprechen auf ein bDMARD gewechselt werden.

Was sagt die S2e-Leitlinie zur Therapie mit Interleukin-6-Rezeptor-Inhibitoren?

Interleukin-6 (IL-6)-Rezeptor-Inhibitoren zählen zur Gruppe der bDMARDs. Der Einsatz von IL-6-Rezeptor-Inhibitoren wird in der Leitlinie nicht nur in Kombinationstherapie, sondern auch in Monotherapie empfohlen:¹

  • Wenn die Therapie unter DMARDs wie MTX in Woche 12 nicht anspricht oder die Therapieziele bis Woche 24 nicht erreicht werden, empfiehlt die DGRh, die Behandlung umgehend zu eskalieren. Bei ungünstigen Prognosefaktoren oder hoher Krankheitsaktivität kann frühzeitig ergänzend u. a. ein IL-6-Rezeptor-Inhibitor eingesetzt werden. Die Leitlinie empfiehlt bei bDMARDs und tsDMARDs die Kombination mit MTX.
  • Bei Patienten mit Unverträglichkeit gegenüber MTX attestiert sie für IL-6-Rezeptor-Inhibitoren Vorteile gegenüber Tumornekrosefaktor-Inhibitoren.

Zusätzliche Informationen zur IL-6-Rezeptor-Inhibition für ärztliche Fachkreise sind in den Abschnitten IL-6-Rezeptor-Inhibitor und Studiendaten zusammengefasst.

Kurzübersicht: Weitere Inhalte der Leitlinie Rheumatoide Arthritis

Treat-to-Target (T2T): Die DRGh unterstreicht in ihrer Leitlinie die Bedeutung des T2T. Das Ziel der Behandlung ist nach dem Prinzip des T2T die Remission. Niedrigere Krankheitsaktivität kann, wenn nicht anders möglich, eine akzeptable Alternative dazu sein. Sie empfiehlt, dieses Prinzip konsequent umzusetzen und gibt Hinweise zu Nutzen, Zielen und Messmethoden von T2T.1,2

Individualisierte Medizin und Biomarker: Leider gibt es bei der rheumatoiden Arthritis bisher in der täglichen Praxis noch keine Biomarker, die eine Individualisierung der Therapie auf Patientenebene erlauben. Die Leitlinie gibt einen Überblick über die Datenlage, u. a. zu möglichen Prädiktoren für das Therapieansprechen sowie das Auftreten von unerwünschten Ereignissen. Zusammenfassend muss jede Substanz sorgsam anhand von Sicherheitsaspekten und den Komorbiditäten des Patienten ausgewählt werden. Für eine Empfehlung bestimmter Substanzen in individuellen Therapiesituationen fehlt generell eine hohe Evidenz, so dass im Rahmen dieser Leitlinie auf konkrete Empfehlungen verzichtet wird.1,2

Partizipative Entscheidungsfindung (PEF, engl. Shared Decision Making): Die Behandlung der Patienten sollte auf der Basis einer gemeinsamen Entscheidungsfindung durchgeführt werden. Damit gemeint ist eine umfassende Besprechung, die u. a. Informationen über Krankheitsmerkmale, diagnostische Prinzipien, Therapieziele und Nutzen/Risiken der einzelnen Therapieoptionen beinhaltet und auf dieser Basis in gemeinsame Entscheidungen mündet. Die PEF kann die Zufriedenheit des Patienten stärken und die Beziehung zwischen Arzt und Patient optimieren sowie die Adhärenz gegenüber der medikamentösen Therapie verbessern.1,2

Literatur:
1. C. Fiehn et al. Zeitschrift für Rheumatologie 2018; 77: Supplement 2.
2. Gromnica-Ihle E et al. S2e-Leitline: Therapie der rheumatoiden Arthritis mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten (Patientenversion)

MAT-DE-2000485-2.0-06/2023