Interleukin-6 und rheumatoide Arthritis

IL-6 spielt eine Schlüsselrolle in der Pathophysiologie der RA.

Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine chronische Systemerkrankung, die durch ein komplexes Netzwerk von Zytokinen ausgelöst und vorangetrieben wird. Interleukin-6 (IL-6) ist eines der Zytokine, die am häufigsten im Serum und in der Synovialflüssigkeit der entzündeten Gelenke von RA-Patienten vorkommen. Die Spiegel an IL-6 und löslichem IL-6-Rezeptor in der Synovialflüssigkeit korrelieren signifikant mit der Schwere der Gelenkzerstörung.¹

Unter normalen physiologischen Umständen übt IL-6 u. a. lebenswichtige proinflammatorische Funktionen als Reaktion auf Infektionen oder Verletzungen aus.¹⁻³ Eine dauerhaft erhöhte IL-6-Konzentration hingegen kann pathologische Auswirkungen haben und gehört zu den Hauptauslösern für das dysfunktionale und chronisch entzündliche Milieu bei RA.³⁻⁵

Welche artikulären RA-Manifestationen werden durch IL-6 beeinflusst?

IL-6 spielt eine zentrale Rolle bei den artikulären Manifestationen der RA.¹,⁶–⁸ Hier ist IL-6 zentral an der Mediation der chronischen Entzündung beteiligt und induziert unter anderem die Gelenk- und Knochenzerstörung über Pannusbildung und Osteoklastenaktivierung.¹

Zusammenspiel von infiltrierenden Immunzellen, Synoviozyten und Endothelzellen im entzündeten Gelenk,

VEGF: Vascular Endothelial Growth Factor; RANKL: Receptor Activator of NF-κB Ligand (modifiziert nach 1)

    Die IL-6-Serumkonzentrationen sind am frühen Morgen am höchsten – zu dieser Zeit treten bei RA-Patienten am häufigsten Gelenkschmerzen und Gelenksteifigkeit (Morgensteifigkeit) sowie Funktionsbeeinträchtigungen auf.

    • Unter normalen Umständen sind die Spiegel von IL-6 gering. Basierend auf mehreren Untersuchungen zeigten sich Serumspiegel von 1–16 pg/ml IL-6 im Blutkreislauf gesunder Personen.²⁹–³⁴
    • Patienten mit RA jedoch haben Serum-IL-6-Spiegel von 5–200 pg/ml mit 100–1000-fach höheren Konzentrationen in der Synovialflüssigkeit.⁷,³⁰,³¹,³³,³⁵–³⁷
    • In Übereinstimmung damit ist IL-6 eines der am häufigsten vorkommenden Zytokine in Serum und Synovialflüssigkeit von RA-Patienten und korreliert sowohl mit Krankheitsaktivität als auch Gelenkzerstörung.¹,⁷,³⁸–⁴⁰
    • Insbesondere am frühen Morgen zeigten sich bei RA-Patienten bezüglich der IL-6 Serumkonzentrationen Spitzenwerte im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen.⁴¹

    Dauerhaft erhöhte IL-6-Konzentrationen halten eine chronische Synovitis aufrecht:*,¹,⁹,¹⁰

    • Proinflammatorische Zellen und Mediatoren wie z. B. neutrophile Granulozyten, Makrophagen, Fibroblasten-ähnliche Synoviozyten (FLS), T- und B-Zellen werden durch IL-6 in die Gelenke rekrutiert bzw. innerhalb der Gelenke aktiviert.⁸–⁹,¹⁷
    • Dies führt zu einer verstärkten Entzündung und letztendlich zu strukturellen Gelenkschäden.21

    * basierend auf präklinischen und klinischen Daten und Ex-vivo-Daten.

    IL-6-aktivierte Fibroblasten-ähnliche Synoviozyten (FLS) spielen eine Schüsselrolle bei der chronischen Entzündung und der Gelenkzerstörung bei RA.²⁴–²⁷  

    • Der Knorpel wird durch die Aktivierung von FLS und Chondrozyten, die Cathepsine und Matrix-Metalloproteinasen exprimieren, abgebaut.¹⁸,²¹–²⁴
    • IL-6 aktiviert und erhöht die Proliferation der FLS in der Synovialmembran.
    • Osteoklastengenese und Osteoklastenaktivität werden stimuliert und führen zu strukturellen Schädigungen durch Knochenresorption. Darüber hinaus existieren Hinweise, dass IL-6 und/oder der lösliche IL-6-Rezeptor (sIL-6-R) an der Regulierung von Osteoklasten-Vorläuferzellen im Knochenmark (hämatopoetische Stammzellen) vor und während der entzündlichen Arthritis beteiligt ist/sind.⁷,⁸,¹⁴,¹⁸–¹⁹

Welche systemischen RA-Manifestationen werden durch IL-6 beeinflusst?

Neben der zentralen Rolle im entzündeten Gelenk ist IL-6 auf der systemischen Ebene unter anderem an der Akute-Phase-Reaktion, der Steuerung des Eisen- und Lipid-Stoffwechsels sowie der Regulierung der HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse) beteiligt.¹,²⁵,⁴² Aufgrund dessen können erhöhte IL-6 Konzentrationen nicht nur zu artikulären Manifestationen, sondern auch zu vielfältigen systemischen Symptomen führen.

Durch IL-6 vermittelte artikuläre und systemische RA-Manifestationen¹,²⁵,⁴²

    Eine erhöhte IL-6-Signaltransduktion kann die Homöostase zahlreicher physiologischer Prozesse stören.⁶,⁴³,⁴⁴

    IL-6 besitzt durch seine Interaktion mit membrangebundenen und löslichen Rezeptoren eine hohe biologische Aktivität und kann mit einer Vielzahl an Zell- und Gewebstypen interagieren.³⁻⁵,⁴¹,⁴⁴⁻⁴⁸

    Dazu gehören insbesondere:

    • Immunzellen
    • Synoviale Fibroblasten
    • Hämatopoetische Stammzellen
    • Hepatozyten
    • Adipozyten
    • Endothelzellen
    • Langerhans-Zellen

    IL-6 trägt zur Zerstörung der Gelenke bei und wird mit den systemischen Manifestationen der RA in Verbindung gebracht.²⁵,⁴¹,⁴⁹

    Erhöhte IL-6-Konzentrationen wirken auf verschiedene physiologische Prozesse und können dadurch u. a. zu Müdigkeit, Anämie, Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.²⁵,⁴¹,⁴⁶

    Einfluss auf die Psyche:

    • Fatigue²⁵
    • Depressionen, depressive Verstimmungen²⁵

    Anämie:

    • Beeinflussung des Eisenstoffwechsels durch Induktion von Hepcidin²⁵
    • Erhöhte Hepcidin-Spiegel sind – gerade bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen –eine potenzielle Ursache für Anämie²⁵

    Osteoporose, Osteopenie:

    • Osteoklastenaktivierung²⁵
    • Allgemeiner Knochendichteverlust¹⁴

    Erhöhung der Akute-Phase-Proteine:

    • Systemische Entzündung durch Wirkung auf die Leber, die zu einer Erhöhung von C-reaktivem Protein (CRP) und Serum-Amyloid-A (SAA) führt²⁵

    Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko:

    • CRP-Erhöhung – was mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert ist¹
    • Beeinflussung der vaskulären endothelialen Dysfunktion¹,⁵¹

    Metabolisches Ungleichgewicht:

    • Interaktionen mit dem Fettgewebe⁴⁷,⁴⁸
    • Einfluss auf den LDL (low density lipoprotein)-Metabolimsus⁵⁰

    Einfluss auf das Immunsystem:

    • Autoantikörperbildung¹
    • Dysregulation der T- und B-Zellen¹,¹⁴,¹⁶

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MAT-DE-2000485-2.0-06/2023